Dokumentarfilm, im Anschluss Gespräch mit der Regisseurin
STORIES FROM THE SEA
Dokumentarfilm, AT 2021, 86 min, R: Jola Wieczorek
Kapitäne, Schiffsköche, Matrosen. Entdecker, Weltumsegler, Piraten. Jahrhundertelang wurde das Meer als maskuliner Expansionsraum wahrgenommen: Auf Schiffen wuchsen Männer in die Weite. Das Genrekino – von Moby Dick bis Captain Blood – sah die Sache genauso.
In Jola Wieczoreks Dokumentarfilm Stories from the Sea ist alles anders. Hier begeben sich Frauen auf große Fahrt, blicken nachdenklich auf die stürmische See, berechnen Routen, führen das Ruder, raffen die Segel, setzen den Anker und holen ihn ein. Der Film beobachtet ihre Bewegungen an Bord. Und während die Wellen gehen und der Schiffsboden schwankt, bleibt Serafin Spitzers Kamera im Hintergrund, souverän und ruhig.
Jede der Frauen hat ihren eigenen Grund, das Meer zu bereisen: Jessica ist als Auszubildende schon monatelang auf dem Frachtschiff „Joanna Borchard“ unterwegs. Das Mittelmeer hat sie dreißigmal überquert.
Amparo, eine lebenslustige Pensionistin, reist als Passagierin auf einem Kreuzfahrtschiff. Früher hat sie solche Fahrten mit ihren Ehemännern unternommen. Heute ist sie allein unter Paaren. Auf die fröhliche Teilnahme an den Bordveranstaltungen folgt die Melancholie beim Abschminken in der Kabine.
Bianca, Federica, Anna, Armina und Dorottya nehmen an einem Segeltörn zur Völkerverständigung teil. Das Team ist international. Man kocht und isst gemeinsam, lernt von der professionellen Skipperin Kommandos, diskutiert die Flüchtlingssituation vor Lampedusa.
Und immer wieder blicken alle aufs Meer. Bei Tag, bei Nacht, dunkelgrau, gezeichnet von Gischt. Hier trifft die Sehnsucht auf den Alltag. Heute Karaoke-Singen mit den philippinischen Matrosen, morgen Fernsehen nach Dienstschluss. An Bord sein. Dienst tun. Anpacken. Entscheidungen treffen. Sich gegen den Wind stemmen. Frauenbilder in Schwarzweiß. Fast, als hätte es sie immer schon gegeben.
Jola Wieczorek
* 1983, Polen, ist eine österreichische Dokumentarfilmemacherin polnischer Herkunft. Sie ist Absolventin des internationalen Masterstudiengangs für Dokumentarfilmregie «DOC Nomads», für den sie ein Vollstipendium erhielt. Während dem Studium in Lissabon, Budapest und Brüssel realisiert sie verschiedene kurze Dokumentarfilme, die auf vielen internationalen Filmfestivals liefen. Ihr Kurzfilm List do Polski gewann den Nachwuchspreis am Vienna Shorts. Ihr Abschlussfilm O que resta feierte am 68. Locarno Filmfestival seine internationale Premiere. 2015 erhielt sie das START-Stipendium für Filmkunst des Bundeskanzleramts Österreich.
Jola ist die Gründerin der Produktionsfirma Fahrenheit Films e.U. mit Sitz in Wien und unterrichtet Dokumentarfilm u.a. bei Docnomads, Filmkids.ch oder an der Kunstschule Winterthur. Ihr erster abendfüllender…
Tickets: www.kino-freistadt.at